Ereignisbericht: Hurrikan Otis

In der Nacht vom 25. Oktober traf um 1:25 Ortszeit der ost-pazifische Hurrikan Otis als Kategorie 5 Sturm, der höchsten Stufe auf der Saffir-Simpson Skala, im mexikanischen Bundesstaat Guerrero in der Nähe von Acapulco de Juáres an Land. Nach Landfall schwächte sich das System über dem gebirgigen Hinterland schnell ab und löste sich in der Folge auf.

Mehrere Faktoren machen Otis zu einem erwähnenswerten Ereignis. Der Sturm war der erste Hurrikan in der aufgezeichneten Historie, der der im östlichen Nordpazifik mit Kategorie 5 Stärke auf Land traf. Allgemein sind Systeme, die mit dieser Stärke auf Land treffen, statistisch selten. Daher gibt es nur ein früheres Beispiel eines Kat 5 Sturmes, in dessen Zugbahn eine Millionenstadt lag: Hurrikan Andrew, der in 1992 über die südlichen Ausläufer Miamis hinwegfegte. Besonders bemerkenswert an Otis war allerdings die meteorologische Entwicklung des Sturmes. Mit einem ausserordentlich schnellen Anstieg der Stärke setzte Otis eine Rekordmarke und ist ein Extrembeispiel für den Effekt der rapid intensification.

Die Portfolien der Solidum ILS Fonds sind in geringem Umfang gegen Hurrikan-Risiko in Mexiko exponiert. Für alle drei Solidum ILS Fonds, den Solidum Cat Bond Fund und die beiden SAC 2 und SAC 3 Fonds des Solidum Event Linked Securities Fund, wird erwartet, dass Otis die Oktober-Ergebnisse jeweils um ca. 0.25% drückt.

Meteorologische Entwicklung

Otis entwickelte sich aus einem Gewittergebiet im Pazifik südlich von Guatemala, das am 22. Oktober als tropisches Tiefdrucksystems klassifiziert wurde und sechs Stunden später Tropensturm-Stärke erreichte. Am Morgen (6 UTC) des 24. Oktobers hatte Otis gemäss Daten der amerikanischen Hurrikanwarte NOAA einen Zentraldruck von 1000 mbar und Konstant-Wind­ge­schwin­digkeiten von 85 km/h. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Vorhersagen davon aus, dass Otis graduell stärker werden würde und mit «nahe Hurrikan-Stärke» auf Land treffen würde. Während der nächsten 9 Stunden folgte Otis auch dieser Vorhersage, mit einem leichten Anstieg der vorhergesagten Intensität bei Landfall auf «Hurrikan Stärke». Danach jedoch setzte eine in ihrer Geschwindigkeit beispiellose Verstärkung des Systems ein. In den folgenden 13 Stunden explodierte Otis von einem Tropensturm mit 110 km/h Windgeschwindigkeit in einen Kat 5 Hurrikan mit 270 km/h. Der Zentraldruck fiel über diesen Zeitraum um 70 mbar auf 923 mbar.

Neben diesen meteorologischen Spitzenwerten stellt somit auch der Vorhersage­-Fehler für die Intensität einen Rekord dar. Dies ist insbesondere deshalb bemerkenswert, als die neusten Prognosemodelle der amerikanischen Hurrikanwarte bei anderen Stürmen mit rasanter Stärke-Entwicklung, wie z.B. Hurrikan Idalia im Golf von Mexiko im August dieses Jahres, eine beeindruckend präzise Vorhersage lieferten.

Diese Diskrepanz motiviert einen abschliessenden Kommentar: Die Stärke von Hurrikanen wird häufig mittels indirekter Analysemethoden geschätzt. Die Dvorak-Technik z.B. benutzt im sichtbaren und infraroten Spektral­bereich aufgenommene Satellitenbilder, um aus typischen Strukturmustern der Wirbel­stürme ihre physikalischen Parameter zu bestimmen. Eine direkte Messung an Hurrikan Otis fand letztmalig 11 und 10 Stunden vor Landfall statt, als eine Hurricane Hunter Lockheed WP-3D Orion der NOAA das Auge des Sturmes zweimal durchflog. Die Mission ergab, dass der Sturm schon deutlich stärker war, als zu diesem Zeitpunkt prognostiziert. Somit könnte die erste Phase der rapiden Entwicklung schon etwas früher eingesetzt haben, als die NOAA-Datenpunkte anzeigen, was die Anstiegs­geschwindigkeit reduzieren würde. In Ermanglung von bodengestützten Radarstationen in der Region, welche mittels Doppler-Effekt Messungen zusätzliche Informationen hätten liefern können, basierten dann alle späteren Intensitätsangaben wieder auf den phänomenologischen Dvorak-Mustern. Dass diese phänomenologische Analogie-Methode dann extreme Ergebnisse lieferte, könnte nahelegen, dass die Dvorak-Technik bei Otis an ihre Grenzen gestossen ist. Es ist anzunehmen, dass umfangreiche Nachuntersuchungen stattfinden werden, und der Vergleich der finalen Best-Track Daten mit den Werten aus den Prognoseberichten interessant werden wird.

Bezüglich des durch Otis verursachten versicherten Schadens stehen noch keine belastbaren Informationen zur Verfügung. Erste Berichte in offiziellen und sozialen Medien zeigen signifikante Auswirkungen auf Gebäude und Infrastruktur. Daher ist anzunehmen, dass Otis ein für Mexiko relevantes Versicherungsereignis darstellt. Angesichts der begrenzten Gesamtsumme versicherter Werte und der Tatsache, dass im Privatkundenbereich die Versicherungsdichte in Mexiko eher gering ist, wird der versicherte Gesamtschaden aber wohl nicht deutlich mehr als USD 5 Mrd. betragen.